16. Febru­ar 2022

Die Deter­mi­nan­ten des Unter­neh­mens­wachs­tums zu ver­ste­hen ist ein zen­tra­les Ziel der Orga­ni­sa­ti­ons­theo­rie und des stra­te­gi­schen Manage­ments. Im Fokus der Wis­sen­schaft sind hier­bei inter­ne Para­me­ter wie die Qua­li­tät des Manage­ments, die stra­te­gi­sche Visi­on der Unter­neh­mens­len­ker und die tech­no­lo­gi­schen Fähig­kei­ten des Unter­neh­mens sowie exter­ne Para­me­ter wie die finan­zi­el­le Ent­wick­lung eines Lan­des oder die Wett­be­werbs­fä­hig­keit der Branche.

Top-Mana­ger haben hier­bei sowohl ein­zeln als auch im Team einen maß­geb­li­chen Ein­fluss auf die Unter­neh­mens­stra­te­gie, und ihre demo­gra­fi­schen Pro­fi­le ein­schließ­lich ihres Alters beein­flus­sen die Ent­schei­dun­gen und Leis­tun­gen des Unter­neh­mens. Inwie­weit das Alter die Unter­neh­mens­er­geb­nis­se beein­flusst, wur­de bis­her jedoch nicht aus­rei­chend untersucht.

In einer umfas­sen­den Stu­die mit 157.996 Unter­neh­men aus Frank­reich, Ita­li­en und Groß­bri­tan­ni­en über zehn Jah­re hin­weg (2002−2012) legen die drei For­scher Sharon Bel­en­zon, Ana­sta­si­ya Shams­hur und Rebec­ca Zaruts­kie in der Juni-Aus­ga­be des “Stra­te­gic Manage­ment Jour­nal” (SMJ) ihre Ergeb­nis­se hin­sicht­lich des Alters von Geschäfts­füh­rern und dem Unter­neh­mens­er­folg vor. Ihr Ansatz­punkt sind bör­sen­no­tier­te, inha­ber­ge­führ­te KMU, deren Geschäfts­füh­rer einen Min­dest­ka­pi­tal­an­teil von 50% hal­ten. Denn die Unter­neh­mens­stra­te­gie gro­ßer Unter­neh­men wird nor­ma­ler­wei­se in Teams getrof­fen, und es damit nicht klar ist, wel­che Aus­wir­kun­gen das Alter eines ein­zel­nen Geschäfts­füh­rers in Teams mit natur­ge­ge­be­ner Maßen unter­schied­lich alten Mit­glie­dern auf den Unter­neh­mens­er­folg haben kann. Deut­sche KMU wur­den nicht berück­sich­tigt, da deren Daten je nach Unter­neh­mens­form aus öffent­li­chen Quel­len nicht hin­rei­chend ermit­tel­bar sind.

Das durch­schnitt­li­che betrach­te­te Unter­neh­men ver­füg­te über Ver­mö­gens­wer­te in Höhe von 3,2 Mio. USD, erwirt­schaf­te­te einen Umsatz von 6 Mio. USD und beschäf­tig­te 31 Mit­ar­bei­ter. Das durch­schnitt­li­che Geschäfts­füh­reral­ter betrug 50,6 Jah­re und das durch­schnitt­li­che Unter­neh­men war 11 Jah­re alt. Der durch­schnitt­li­che Gewinn im Zeit­raum von 2003 bis 2012 lag bei 205.000 USD und der ROA bei 0,10. Die durch­schnitt­li­che Inves­ti­ti­on im glei­chen Zeit­raum betrug 0,035 und das Umsatz­wachs­tum 0,08. Die genann­ten Koef­fi­zi­en­ten von ROA, Inves­ti­ti­on und Umsatz­wachs­tum bezie­hen sich auf die jähr­li­chen Veränderungen.

Die Ergeb­nis­se im Überblick

1. Besitz

53% aller Unter­neh­men und damit mehr als die Hälf­te befin­den sich im Besitz von Geschäfts­füh­rern mit einem Alter von über 54 Jah­ren, davon 28% im Besitz von Geschäfts­füh­rern mit einem Alter von über 60 Jahren.

2. Unter­neh­mens­an­teil der ältes­ten Geschäftsführer

Die Bran­chen­span­ne reicht von 16% der Unter­neh­men in der Lebens­mit­tel- und Gas­tro­no­mie­bran­che, die von über 59-jäh­ri­gen Geschäfts­füh­rern gelei­tet wer­den bis hin zu 40% der Unter­neh­men in der Che­mie­bran­che, die von die­ser Alters­grup­pe geführt werden.

3. Inves­ti­ti­on

Geschäfts­füh­rer im Alter über 59 Jah­ren, das ist die ältes­te betrach­te­te Alters­grup­pe, inves­tie­ren 45% weni­ger in ihr Unter­neh­men als 34-Jäh­ri­ge oder jün­ge­re, das ist die jüngs­te betrach­te­te Alters­grup­pe. Die wei­te­ren Alters­grup­pen, die auch im Fol­gen­den ange­bracht wer­den, sind 35 – 40, 41 – 46, 47 – 53 und 54 – 59 Jah­re. Die Inves­ti­ti­ons­nei­gung über die­se Alters­grup­pen hin­weg ver­läuft ent­spre­chend, dies vor­weg­neh­mend, im Übri­gen eben­falls bei den meis­ten fol­gen­den Vergleichen.

4. Umsatz­wachs­tum

Das Umsatz­wachs­tum von Unter­neh­men, die von über 59-Jäh­ri­gen gelei­tet wer­den, ist um 23% gerin­ger als bei 35 – 40-Jäh­ri­gen. Die­ser Ver­gleich, der Tabel­le 4 auf Sei­te 928 des Fach­zeit­schrif­ten­ar­ti­kels zu ent­neh­men ist, wird von den Autoren jedoch nicht ver­ba­li­siert. Erklä­rend ange­führt wird viel­mehr der Ver­gleich die­ser jün­ge­ren Grup­pe mit der zweit­äl­tes­ten Ver­gleichs­grup­pe, den 54 – 59-Jäh­ri­gen; hier liegt die Span­ne bei 28% und damit höher. Eine Begrün­dung dafür, war­um die jün­ge­ren Älte­ren hier eine schlech­te­re Per­for­mance auf­wei­sen als die noch älte­ren, geben die Autoren an die­ser Stel­le nicht. Für die jüngs­te Ver­gleichs­grup­pe, den unter 35-Jäh­ri­gen, gibt es an die­ser Stel­le auch kei­ne Daten, so dass sie nicht ver­gli­chen wer­den können.

5. ROA

Unter­neh­men mit über 59-jäh­ri­gen Unter­neh­mens­len­kern ver­zeich­nen einen ROA-Rück­gang um 13,2 % im Ver­gleich zur jüngs­ten betrach­te­ten Alters­grup­pe, den unter 35-Jährigen.

6. Über­le­bens­wahr­schein­lich­keit

Für die Über­le­bens­wahr­schein­lich­keit von Unter­neh­men in Abhän­gig­keit vom Geschäfts­füh­reral­ter wur­den wei­te­re Alters­ka­te­go­rien ein­ge­führt: 18 – 25, 26 – 30, 31 – 34, 35 – 40, 41 – 53, 54 – 59, 59 und älter. Unter­neh­men mit den jüngs­ten Geschäfts­füh­rern schei­den 1,44 Mal wahr­schein­li­cher aus dem Geschäft aus als Unter­neh­men mit Geschäfts­füh­rern über 59 Jah­ren. Der Ver­gleich mit 54 – 59-Jäh­ri­gen ist mit 1,48 noch schlech­ter. Im Ver­gleich zu unter 35-Jäh­ri­gen ist der Fak­tor immer noch 1,25.

7. Bran­chen­ab­hän­gig­keit

Die genann­ten nega­ti­ven Impli­ka­tio­nen sind in der Krea­tiv­bran­che aus­ge­präg­ter. In der Tech­no­lo­gie­bran­che, cha­rak­te­ri­siert durch die Aus­ga­ben für For­schung und Ent­wick­lung, konn­ten die For­scher jedoch kei­ne nega­ti­ven Aus­wir­kun­gen zwi­schen Unter­neh­mens­er­geb­nis und Geschäfts­füh­reral­ter fest­stel­len! Dif­fe­ren­ziert man die Tech­no­lo­gie­bran­che in wis­sens­in­ten­si­ve und weni­ger wis­sens­in­ten­si­ve Dienst­leis­tun­gen, ergibt sich für wis­sens­in­ten­si­ve Tech­no­lo­gie­bran­chen noch eine gerin­ge­re Inves­ti­ti­on von etwa 3%, ein gerin­ge­res Umsatz­wachs­tum von etwa 4% und ein nied­ri­ge­res ROA von etwa 2% beim Ver­gleich von Geschäfts­füh­rern über 59 Jah­ren und Geschäfts­füh­rung unter 35 Jahren.

Die umfas­sen­den For­schungs­li­te­ra­tu­ren und For­schungs­er­geb­nis­se sowie detail­lier­te Begrün­dun­gen der Zusam­men­hän­ge kön­nen dem 23-sei­ti­gen Fach­zeit­schrif­ten­ar­ti­kel ent­nom­men wer­den. Zusam­men­fas­send geht es bei die­sen Erklä­run­gen um Risi­ko ver­sus Sicher­heit im Geschäfts­füh­rungs­stil ent­spre­chend dem Geschäftsführeralter.

Fazit

Eine Lösung ist hier nicht ein­fach. Mit jun­gen Geschäfts­füh­rern kann ein Unter­neh­men ein höhe­res Umsatz­wachs­tum von bis zu ca. 25% im Ver­gleich zu älte­ren Geschäfts­füh­rern ver­zeich­nen. Dage­gen steht ein bis zu 50%-iges höhe­res Risi­ko mit eben jun­gen Geschäfts­füh­rern insol­vent zu gehen. Denk­bar wäre die Unter­neh­mens­stra­te­gie eines Lei­tungs­mi­xes aus jün­ge­ren und älte­ren Men­schen – sofern die unter­schied­li­chen alters­be­ding­ten Tem­pe­ra­men­te sich nicht gegen­sei­tig blockieren.

Quel­le

Sharon Bel­en­zon,  Ana­sta­si­ya Shams­hur,  Rebec­ca Zaruts­kie: CEO’s age and the per­for­mance of clo­se­ly held firms, in: Stra­te­gic Manage­ment Jour­nal (SMJ), Volu­me 40, Issue 6, Pages: 863‑1009, June 2019, Sei­ten 917 – 944, https://​doi​.org/​1​0​.​1​0​0​2​/​s​m​j​.​3​003

Zita­ti­ons­wunsch des Herausgebers:

Bel­en­zon S, Shams­hur A, Zaruts­kie R. CEO’s age and the per­for­mance of clo­se­ly held firms. Strat Mgmt J. 2019;40:917 – 944. https://​doi​.org/​1​0​.​1​0​0​2​/​s​m​j​.​3​003

Zu den Autoren die­ses Fachzeitschriftenartikels

Sharon Bel­en­zon ist außer­or­dent­li­cher Pro­fes­sor (mit Lehr­auf­trag) in der Stra­te­gie­ein­heit an der Fuqua School of Busi­ness der Duke Uni­ver­si­ty, Dur­ham, North Caro­li­na, USA und wis­sen­schaft­li­cher Mit­ar­bei­ter am Natio­nal Bureau of Eco­no­mic Rese­arch (NBER), Cam­bridge, Mas­sa­chu­setts, USA.

Ana­sta­si­ya Shams­hur ist lei­ten­de Dozen­tin für Finanz­we­sen an der Nor­wich Busi­ness School, Uni­ver­si­ty of East Anglia, Nor­wich, UK.

Rebec­ca Zaruts­kie ist stell­ver­tre­ten­de Direk­to­rin der Pro­gramm­di­rek­ti­on Abschnitt Wäh­rungs­fra­gen im Direk­to­ri­um des US-Zen­tral­ban­ken­sys­tem, des Board of Gover­nors of the Fede­ral Reser­ve Sys­tem, in Washing­ton, Dis­trict of Colum­bia, USA.

Autor die­ser Web­sei­te: Harald Bah­ner © Bah­ner Consulting ®


Fra­gen Sie mich an!